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Jekyll & Hyde in Dortmund

Am Silvester-Nachmittag ging es für mich zum Musical "Jekyll and Hyde", geschrieben und komponiert von Leslie Bricusse und Frank Wildhorn, im Theater Dortmund. Das Stück basiert auf dem Roman "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr.Hyde" von Robert Louis Stevenson. Die Kritiken die ich vorher las, waren alle durchweg überaus positiv. Meine Erwartungen waren hoch, und ich kann sagen, sie wurden sogar noch übertroffen.

 

Die düstere Geschichte beginnt, Dr. Henry Jekyll (David Jakobs) ist Arzt in London und ist sich sicher, ein Mittel entdeckt zu haben, welches das böse von der guten Seele trennen kann. Als der Krankenhausvorstand den Versuch an einem Menschen ablehnt und sein Vater verstirbt, entscheidet er sich zu einem Selbstversuch mit fatalen Folgen. Er entwickelt sich in kürzester Zeit zu seiner bösen Seele "Mr. Edward Hyde", die mordend durch die Straßen zieht. Als dieser beginnt er eine brutale Affäre mit der Prostituierten "Lucy" (Bettina Mönch), die es nicht schafft, früh genug zu fliehen und somit ein tragisches Ende findet. Jedes mal wenn er zur guten Seele "Jekyll" zurückkehrt, versucht er mit allen Mitteln, sein zweites Ich zu bekämpfen. Seine Verlobte Lisa (Milica Jovanovic) glaubt bis zum bitteren Ende an seine Ideologie und sein Verhalten, muss aber an ihrer eigenen Hochzeit die bittere Wahrheit erfahren, als Henry sich vor allen Augen in Edward verwandelt.

 

Wieder ein Mal hat das Theater Dortmund eine unglaubliche Inszenierung auf die Beine gestellt. Neben Regisseur Gil Mehmert, gewann das Theater bekannte Namen des Musicals, wie Milica Jovanovic (Doktor Schiwago, Schikaneder), Bettina Mönch (Evita, Cabaret) und David Jakobs (Der Glöckner von Notre-Dame, Les Miserables) für die Produktion. Die Bühne nahm sich Jens Killian zur Brust, für die Kostüme ist Falk Bauer verantwortlich.

 

Alles schien perfekt aufeinander abgestimmt. Die Bühne war riesig, wurde mit einer großen Kulisse auf der Drehbühne in drei verschiedene Orte gegliedert, in denen verschiedenste Szenen stattfinden konnten. Durch eine andere Unterbühne wurde es möglich, in den Keller, also das Laboratorium von Dr. Henry Jekyll, zu tauchen. Immer wieder wurde die Bühne hochgefahren und das untere Labor wurde für den Zuschauer sichtbar. Durch viele Effekte wurde die ganze Szene noch mystischer, denn seine Tränke brodelten, rauchten oder wechselten wie durch Zauberhand die Farbe.

 

Kostüm-technisch befanden wir uns im 20. Jahrhundert. Die Frauen trugen geraffte Kleider mit einem Kissen, welches das Hinterteil betonte und das Oberteil wurde geschnürt. Die Männer trugen Hemden, Hosen mit Hosenträgern und gerne Mäntel samt Kopfbedeckung. Auch dies war sehr gelungen. Die Kostüme passten in die Zeit und wirkten sehr natürlich. Falk Bauer, der Kostümbildner, scheint wert auf hohe Qualität zu setzen und das konnte jeder Zuschauer im Theater beobachten.

 

Zur Cast lässt sich sagen, dass alle wahnsinnig gut waren. David Jakobs verkörperte den Henry Jekyll/Edward Hyde und konnte mit dieser Rolle vollkommen überzeugen. Schauspielerisch war das eine Höchstleistung, sowie gesanglich konnte er mich immer wieder mitreißen. Er stellte seine zwei komplett verschiedenen Charaktere und Rollen wunderbar dar. Edward bekam genau die richtige Menge Verrücktheit und Grusel ab, so dass man deutlich einen Unterschied zu seiner guten Seele erkennen konnte. Auch stimmlich war dieser Unterschied schon bei den ersten Tönen spür- und hörbar, aber auch für das Auge gab es eine sich immer wieder wiederholende Veränderung von einem sehr glatten Jekyll zu einem monströsen und eher wilden Hyde. Bei der Konfrontation, setzte das Theater Dortmund auf ein Video, was Jakobs mit besten Mitteln zu lösen wusste. Leider wurde dadurch nicht ganz deutlich, dass Jakobs in dieser Szene beide Stimmen sang und somit einen ständigen Wechsel der Stimmlagen und Rollen durchlebte. Abschließend lässt sich sagen, dass das Theater hier den perfekten Darsteller für die Rolle gefunden hat, er hat sich auf die Schauspielerische Herausforderung eingelassen und erntete beim Schlussapplaus Standing Ovations.

 

Bettina Mönch verkörperte die Rolle der Prostituierten Lucy und meisterte dies mit bravour. Äußerlich passte sie sehr gut in diese Rolle und körperlich wurde sie dem sehr gerecht. Mit ihrem Lied "Schafft die Männer ran" war sofort klar, dass es ihre Rolle war. Jede Bewegung saß auf den Punkt und auch stimmlich legte sie einen etwas rauchigen Unterton an den Tag, was dieser Rolle den gewissen Schliff gab. Aber auch ihre verletzliche und sehnsüchtige Seite konnte Mönch hier ausleben, als sie die Chance bekommt, London zu verlassen. Mit ihr hatte ich das größte Mitleid, als Edward sie mit seinen bloßen Händen umbrachte, denn sie gab der Rolle etwas nahbares und legte viel Gefühl in ihre Lieder und Dialoge.

 

Lisa, die gutgläubige Verlobte von Henry Jekyll, wurde von Milica Jovanovic gespielt. Durch ihre sehr ruhige und selbstsichere Ausstrahlung wirkte ihre Sanftmütigkeit und liebevolle Art natürlich und nicht gespielt. Sie stand immer hinter ihrem Verlobten und unterstützte ihn in allen Situationen. Bereits bei ihrer Verlobungsfeier wurde deutlich wie nah sich die beiden im Herzen standen, denn sie alberten rum, verteidigten sich gegenseitig vor gemeinen Kommentaren und waren in jeder Situation greifbar nah. Mit ihrer ruhigen Stimme, brachte sie ihre Gefühle stets sehr überzeugend rüber und bekam abschließend Standing Ovations für ihre Performance.

 

Der Großteil des Ensembles bestand, wie die letzten Jahre auch, aus Studenten der Folkwang-Universität Essen, des Studienganges "Musical". Dazu kam der große Opern-Chor des Theaters, der die Bühne ebenso füllte. Leider schien der Chor nicht sehr motiviert und wusste oftmals nicht über die eigenen Abläufe bescheid, was sehr störte. Meist standen sie im Vordergrund der Bühne, sodass lustlose Gesichter bis in die letzten Reihen sichtbar waren.

 

Jedoch war dieser Nachmittag der beste in meinem Musical-Jahr 2020. Alles stimmte überein, das Stück konnte mich tief begeistern und die Inszenierung war absolut geglückt. Ich wünsche jedem, der die Chance bekommen hat, es sich anzusehen, einen unvergesslichen Abend. Leider sind die letzten vier Vorstellungen restlos ausverkauft und Karten über Ebay zu ergattern, äußerst schwierig. Meine Empfehlung habt ihr hiermit, ich darf es am Freitag noch ein letztes Mal erleben und freue mich riesig!

 

 

Alles Liebe, bis zum nächsten Mal,

 

 

Eure Judith