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StarsOnStage

Mit abstand die besten


7 Monate ohne Live-Musik. 7 lange Monate, in denen für uns alle viel passiert oder auch eben nicht passiert ist. Wir haben alle einen komplett neuen Alltag annehmen müssen, kein Ende in Sicht. Und genau in solchen Zeiten sollte Musik uns am Leben halten. Lebensqualität spenden. Doch lange war für unsere Politik Kunst und Kultur kein Thema, erst recht nicht Live-Musik und Theater, obwohl sich viele Theater für gute Konzepte ausgesprochen haben. Und nun endlich ist es wieder soweit, dass wir Theater und Konzerte, wenn auch mit Einschränkungen, besuchen dürfen.

Leider konnte ich "die Schreibmaschine" am 12.10.2020 in Köln auf Grund einer Quarantäne meinerseits nicht besuchen, was mich wirklich sehr traurig gestimmt hat.  Aber am gestrigen Abend war es endlich wieder so weit und ich durfte in die geliebte, andere Welt eintauchen.

 

OnStage Braunschweig ist eine Hobby-Musicalschule, geleitet von einem jungen Paar, Namens Clemens und Katarina. Hier bilden sie junge Erwachsene aus, die Lust auf Musical haben oder auch den Wunsch haben in den Beruf des Musical-Darstellers einzusteigen. Neben dem täglichen Unterricht organisieren sie Musicals, Konzerte und Masterclasses mit verschiedenen internationalen Musical-Darstellern wie Nathalie Weiss, Sierra Boggess und Rachel Anne Moore.

 

An diesem Wochenende hätte, unter normalen Umständen, das Musical "The Distance you have come" von Scott Alan statt gefunden. Auf Grund der Pandemie ist dieses auf das Jahr 2021 verschoben worden. Allerdings mussten die Zuschauer nicht gänzlich auf eine Perfomance verzichten. Kurzerhand wurde das Projekt "Mit Abstand die Besten" mit Nienke Latten, Myrthes Monteiro, Roberta Valentini, Riccardo Greco, Oedo Kuipers und Gerrit Hericks auf die Beine gestellt, welches ich am gestrigen Abend, den 24.10.2020 in Braunschweig besuchen durfte.

 

Angefangen bei dem sehr guten Hygiene-Konzept, inkl. Einlasszeiten, Maske und Fieber messen. Die Regierung zu allem Übel noch am Freitag um 17 Uhr eine neue Verordnung heraus, wonach nur 100 Leute die Veranstaltung besuchen durften. Aber auch dies wurde hervorragend gelöst um jedem gerecht zu werden. Angekommen auf den Plätzen, mit Sicherheitsabstand und lüften, begann das Konzert mit kurzer Verspätung mit dem ersten Ensemble Stück "Another op'nin', Another Show" aus dem Musical "Kiss me, Kate". Damit war die Stimmung für den Abend klar, denn die Darsteller gaben Vollgas und auch das Publikum war spürbar glücklich, endlich wieder den Klängen der Musik lauschen zu dürfen.

Gefolgt wurde der Opener von der deutschsprachigen Uraufführung von "Nichts mehr sonst" aus "The Distance you have come", sowie einem Disneyblog mit "Speechless" aus Aladdin, "Into the Unknown" aus Frozen 2 und "Draußen" aus dem Disneyfilm "Der Glöckner von Notre Dame". Weiterhin wurden Songs wie "Three Friends" aus "Closer than Ever" und "Being Alive" aus "Company" performt. Vor der Pause wurde ein kleiner "Ghost"-Blog vorgestellt und als Einleitung für die Pause sang das Ensemble "Let me be your Star" aus der Musical-Serie "Smash".

 

Nach einer kurzen Pause zum Lüften und Beine vertreten, wurde dann eine kleine Überraschung auf die Bühne gebracht. Eine Leinwand auf der der Songwriter, der den Songcycle "The distance you have come" geschrieben hat, auftauchte und ein höchst-emotionales Lied aus Amerika zu uns sendete. Durch das Ausreiseverbot der USA war es Scott Alan nicht möglich zu uns nach Deutschland zu kommen. Gefolgt von "Requiem" aus "Dear Evan Hansen", sowie "You and Me" aus dem Musical "The Book of Mormon". Weiterhin kamen Songs wie "Why God" aus dem Musical "Miss Saigon" und "Goodbye" aus "Catch me If you can". Getrennt voneinander traten nun die Frauen mit "Candy Store" aus "Heathers" auf, während die Männer mit "You could drive a Person crazy" aus "Company" für einige Lacher sorgten. Nach einem "Comicbook kind of love" aus "Eugenius" ging es dann auch schon auf die Zielgerade. Mit "Don't shoot for the Stars" ebenfalls aus "Eugenius" und "A new World" aus "Songs for a new world" wurden die Zuschauer auf das viel zu schnell kommende Ende vorbereitet.

 

Der Abend war auf jeden Fall ein voller Erfolg. Man konnte das Herzblut und die Liebe der Darsteller zu ihrem Beruf förmlich greifen. Alle Emotionen, alle Fassetten und Stimmungen sprangen auf die Zuschauer über, so dass am Ende niemand mehr auf seinem Platz sitzen bleiben konnte. Dank der sehr humorvollen Moderation der Organisatoren Katarina und Clemens verging der Abend im Fluge und beinahe alle Alltagsprobleme schienen vergessen. Die Ensemble-Stücke waren voller Energie, während die ruhigen Passagen mit Emotionalität überzeugten. Die Band passte gut zu den gewählten Songs, wobei es zu Beginn des ersten Teils, sowie nach der Pause teilweise ein wenig zu laut wirkte. Die Stimmen der Darsteller gingen daher ein wenig unter, was aber sehr schnell ausgebessert wurde. So konnte man wieder den tollen Stimmen der Solisten lauschen.

 

Nienke Latten ist eine der Neuentdeckungen im Musical-Bereich und verkörperte zuletzt die "Jasmin" in dem Disney-Musical "Aladdin". An diesem Abend überzeugte sie mit starker Stimme, welche schon im ersten Duett mit ihrer Rollen-Kollegin Myrthes Monteiro, die ebenfalls die "Jasmin" in Aladdin spielte, zu spüren war. "Speechless" aus der Neu-Verfilmung des Disney-Klassikers "Aladdin" erzeugte Gänsehaut am ganzen Körper. Auch die Songs mit ihren Kolleginnen zeugten von purer Energie und Spielfreude. Mein persönlicher Favorit war neben "Speechless" definitiv "Candy Store". Es war schön endlich mal andere Lieder als die üblichen Verdächtigen zu hören und ein paar neuen Dingen lauschen zu dürfen.

Myrthes Monteiro war für mich eine Premiere, da ich sie bisher live nicht gesehen habe. Eine temperamentvolle Brasilianerin mit Power-Stimme, die die Begeisterung des Publikums auf ihrer Seite hatte. Auch sie überzeugte mit einem sehr starken "Speechless", während sie bei den Ensemble-Stücken leider etwas unterzugehen schien. Vielleicht war dies aber auch der Technik geschuldet.

Roberta Valentini schien an diesem Abend auf Höchstleistung zu laufen. Besonders ihre letzte Rolle der "Molly" aus "Ghost" verkörperte sie mit ihrem Duett-Partner Riccardo Greco sehr überzeugend. Bei "Du" aus "Ghost" blieb kaum ein Auge der Zuschauer trocken und der Applaus schien gar nicht enden zu wollen. Wobei mein persönliches Highlight an diesem Abend das Ensemble-Stück "Don't shoot for the Stars" war. Dort sprühte Roberta Valentini förmlich vor Lebensfreude und Energie.

Auch Oedo Kuipers war für mich eine Premiere an diesem Abend. Bisher habe ich nur seinen CD's und ein paar Aufnahmen lauschen können und war extrem neugierig auf ihn. Tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht. Sein "Why God" aus "Miss Saigon", wo er bald die Hauptrolle spielen wird, war göttlich und hat neugierig auf mehr gemacht. Sollte Miss Saigon bald also anlaufen, werde ich ihm wohl einen Besuch abstatten.

Riccardo Greco ist mir ebenfalls schon bekannt gewesen und konnte auch an diesem Abend voll überzeugen. Bereits bei vorherigen Veranstaltungen war er oftmals mein Liebling, was auch an diesem Konzertabend nicht abriss. Riccardo ist immer auf der Höhe und spiegelt Emotionen mitreißend wieder. Sein Solo "Goodbye" aus "Catch me if you can" überzeugte mit Emotionalität, und auch sein sehr humorvolles Duett mit Oedo Kuipers "You and Me" aus "The Book of Mormon" war sehr stark. Man kann einfach spüren, dass die Darsteller für ihren Beruf leben.

Gerrit Hericks war meine letzte Premiere für diesen Abend. Leider habe ich bisher wenig von ihm gehört, jedoch wurde dies ja geändert. Sein "Draußen" aus dem Disney-Musical "Der Glöckner von Notre Dame" war eines der besten, welches ich bisher hören durfte. Es war geladen mit Energie und Emotionen. Gedankt wurde ihm mit einem nicht aufhörenden Applaus und Jubel des Publikums.

Und das beste kommt zum Schluss: Die Gastgeber Katarina und Clemens haben schließlich auch ihre ganz eigene Show genießen dürfen. Mit einer sehr lustigen An-Moderation folgte das romantisch-kitschige und sehr amüsante "Lied das jetzt erklingt". Mein ganz persönliches Highlight des Abends, da das Stück aus "Spamalot" eine kleine persönliche Geschichte für mich trägt.

 

Gerne würde ich mehr von solchen Abenden erleben. Wie das Publikum sehen konnte, funktioniert es. Mit gutem Konzept und durchdachter Organisation KANN es funktionieren, wenn alle Zuschauer mitmachen und Rücksicht aufeinander nehmen. Denn wir sind verantwortlich für die Menschen um uns herum und nicht nur für uns selbst und unsere eigene Gesundheit. Vielleicht haben wir die Chance weiterhin solche Momente zu erleben und die Künstler weiterhin zu unterstützen. Ich bedanke mich für diesen wundervollen Abend und freue mich auf kommende Veranstaltungen, gerne auch in Braunschweig, auch wenn wir darauf nun sicherlich wieder länger warten müssen.

 

Bis bald,

 

Eure Judith

 

 

(Fotos: @Nadine_Krause_Fotografie)